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Antisemitismus (Rassenantisemitismus)

Nahezu als Reaktion auf die im 19. Jahrhundert vollzogene Emanzipation der Juden entstand – vor allem in Deutschland – eine neue Form des Judenhasses, der sogenannte Rassenantisemitismus.

Zwischen 1853–1855 veröffentlichte der Pseudogelehrte Graf de Gobineau, ein Franzose, die Lehre von der Ungleichheit der Rassen. Er theoretisierte die absolute Überlegenheit der weißen Rasse, als deren Kern sich die „arische Rasse“ rein erhalten habe.

Während Gobineau die Urheimat dieser „arischen Rasse“ noch in Indien vermutete, verlegten spätere Rassentheoretiker diese nach Mittel– und Nordeuropa. Gobineau unternahm den Versuch, die gesamte Weltgeschichte nach rassischen Gesichtspunkten zu erklären. Der gebürtige Engländer und Wahldeutsche Houston Steward Chamberlain (1855-1927) entwickelte diese Ansätze in seinem Hauptwerk „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ weiter und kam zu der Gleichung „arisch=germanisch=deutsch“. Für Hitler, der in seiner Jugend noch von dem Sektenführer und Antisemiten Adolf Lanz, der seine „Osterveröffentlichungen“ mit dem Hakenkreuz schmückte, beeinflusst worden war, waren die Schriften Gobineaus und Chamberlains wahre Heilsschriften und so konnte er in seinem Buch „Mein Kampf“ an die von Chamberlain entwickelte Theorie anknüpfen, daß die arische Rasse die allein kulturträchtige sei. „Würde man die Menschheit in drei Arten einteilen: in Kulturgründer, Kulturträger und Kulturzerstörer, dann käme als Vertreter der ersten wohl nur der Arier in Frage. Von ihm stammen die Mauern und Fundamente aller Schöpfungen...“.

Diese Rassentheorie kam in einer Zeit auf, als die Emanzipation der Juden in vollem Gange war und die Überzeugungskraft religiöser Argumente (Christusmörder) und abergläubische Aspekte immer mehr an Bedeutung verloren. Der neue Rassegedanke schaltete die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft als Maßstab aus und setzte dafür die Zugehörigkeit zu einer Rassengemeinschaft.

Die Rassentheoretiker sahen sich allerdings einem großem Dilemma gegenüber. In der Satzung des von Adolf Lanz gegründeten Ordens, der von bekannten Personen wie dem schwedischen Dichter Lindberg und dem britischen Feldmarschall Lord Kitchener gefördert wurde, hieß es: „Die Staaten werden im Interesse des Bestandes ihrer Kultur zur planmäßigen Zucht der staatserhaltenden Menschen arischer Rasse kommen müssen.“ Die förderungswürdigen Idealgestalten waren nach Lanz „nur Menschen mit goldblonden Haaren, blauen Augen, rosiger Gesichtsfarbe, mit länglichem Schädel und länglichem Gesicht, anliegenden Ohren, ebenmäßiger Körpergestalt...“. Hier aber lag das Problem der Pseudowissenschaftler: einerseits zeichneten sich nur wenige Menschen durch die ihrer Meinung nach unverkennbaren Rassenmerkmale aus, andererseits gab es kein Instrument, mit dem sich Rassenvermischungen wissenschaftlich einwandfrei analysieren ließen.

Mitteleuropa war immer ein riesiger Schmelztiegel gewesen. Slawische Stämme waren germanischen gefolgt und umgekehrt. Die Hunnen waren kreuz und quer durch Europa gezogen. Sie waren sogar bis zum Rhein gekommen und haben ihre Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Während des Dreißigjährigen Krieges waren Spanier, Kroaten, Serben, Ungarn, Polen, Schweden, Franzosen und Finnen in Deutschland gewesen. Viele von ihnen blieben in Deutschland, mischten sich mit der einheimischen Bevölkerung, wie die im Zuge der Ostkolonisation nach Mecklenburg, Pommern und Brandenburg drängenden Bauern sich mit der einheimischen slawischen Bevölkerung mischten. Diese rassereinen Germanen gab es also gar nicht und da eine arische Rasse chemisch rein nicht herzustellen war, konnte man diesem unklaren Begriff erst Konturen geben, wenn man ihm ein festes Feindbild gegenüber stellte und da boten sich die Juden als finsterer Gegenpol zu den Lichtgestalten der germanischen Herrenrasse an. Am Ende lief es wieder darauf hinaus, einen Sündenbock zu haben, der für alles verantwortlich gemacht werden konnte, was danebenging.

Am konsequentesten findet man diese Rassentheorie bei dem Berliner Nationalökonomen Eugen Dühring in seinem 1881 erschienenden Werk „Die Judenfrage als Rassen-, Sitten- und Kulturfrage“. Für Dühring war einfach alles und jedes jüdisch, was ihm mißfiel. Dührings Minderwertigkeitskomplex kommt dadurch zum Ausdruck, daß er die Macht des Juden ins Unermeßliche steigert. Für ihn waren Literatur, Presse, sämtliche Parteien, Wissenschaft und Rechtspflege, die christlichen Religionen, Dichter wie Lessing und Philosophen wie Nietzsche verjudet. Er nannte die „jüdische Gefahr“ die Schmach des vergangenen Jahrtausends, sprach von Judenherrschaft und der Verjudung aller Regierungen und malte die Gefahr einer jüdischen Weltverschwörung ans Firmament.
Immer wieder wurde diese Verschwörungstheorie von rassenantisemitischen Gruppen in die Öffentlichkeit getragen, obwohl die „Protokolle der Weisen von Zion“ längst als Fälschung entlarvt worden waren. In ihnen wurde behauptet, daß das „zersetzende Wesen der Juden“ nur ein Ziel kenne, nämlich die politische Macht im Staate zu erringen und die Juden in allen Ländern zur führenden Schicht zu machen.

Der herkömmliche Antisemitismus im 19. Jahrhundert, der vor allem in Kreisen des Kleinbürgertums weit verbreitet war, hatte den Boden bereits so gut vorbereitet, daß die Rassenlehre – gefördert von den Wirrnissen der Weimarer Zeit – in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang fand als die Nationalsozialisten ihn in ihr Programm aufnahmen. Nebulöse Schlagworte wie „die jüdische Weltverschwörung“, das „jüdische Weltkapital“, die „Macht Alljudas“, „die jüdisch-bolchewistische Clique in Moskau“ schlichen sich schnell in das Gedankengut vieler Menschen. Die Katastrophe von 1918 und der wirtschaftliche und politische Niedergang vieler Bevölkerungsgruppen schufen die idealen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der nationalsozialistischen Propaganda.
Antisemitische Einstellungen fanden sich aber auch in den sogenannten „besseren Kreisen“, beim Adel, bei den Industriellen, bei Akademikern, bei den Militärs
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=>Judenverfolgung in Dänemark während der deutschen Besatzung