Start des Rundgangs
Am 15. März 1939, kein halbes Jahr nach dem Münchener Abkommen und der Okkupation des sogenannten Sudetenlandes durch die Wehrmacht, besetzte das nazistische Deutschland auch den Rest der böhmischen Länder. Bereits am nächsten Tag wurde das Protektorat Böhmen und Mähren errichtet und zum Bestandteil des Großdeutschen Reiches erklärt. Nur formell hatte das Protektorat eine autonome Stellung mit einem Staatspräsidenten an der Spitze, die Behörden und der Verwaltungsapparat mussten die Anordnungen der deutschen Besatzer ausführen, die mit ihren Dienststellen und Institutionen sämtliche Bereiche des Lebens kontrollierten. Die Ausnutzung des wirtschaftlichen Potentials Böhmen und Mährens war für die deutsche Kriegsführung von großer Bedeutung. Das Endziel deutscher Politik war allerdings eine Germanisierung dieser Gebiete im großem Maßstab durch deutsche Siedler. Die tschechische Bevölkerung war nicht bereit, die Pläne der deutschen Besatzer und ihre Unterdrückungsmethoden einfach hinzunehmen. Überall im Land regte sich Widerstand, bildeten sich Gruppen von Personen, die bereit waren, den Kampf gegen die Okkupanten aufzunehmen. Die Aktionen der Widerstandsgruppen führten zu einem verstärkten Terror der Deutschen gegen das tschechische Volk. In Hinblick auf die wachsende Zahl der Verhafteten suchte die Gestapo neue Objekte, die sich für deren Unterbringung eigneten. Im März 1940 richtete der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) in Prag, Dr. W. Stahlecker, ein Gesuch an das Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in Berlin, in der Kleinen Festung Theresienstadt ein neues Gefängnis einzurichten. Stahlecker betonte die Vorteile der „Kleinen Festung“, namentlich die leichte Bewachung und die Nähe zu Prag. Heydrichs Bescheid war positiv. Im Juni übernahm die Gestapo die „Kleine Festung“ als Haftanstalt, deren offizieller Titel Geheime
Staatspolizei lautete. Das Gefängnis, das schon bald die ersten Häftlinge aufnahm, wurde von der Gestapoleitstelle Prag verwaltet und unterstand dem Kommando des Prager Gefängnisses Pankrác. In das Polizeigefängnis „Kleine Festung“ wurden fortan Häftlinge aus ganz Böhmen deportiert, von 1944 an auch aus Mähren und aus den abgetrennten Gebieten. In das Polizeigefängnis „Kleine Festung“ wurden fortan Häftlinge aus ganz Böhmen deportiert, von 1944 an auch aus Mähren und aus den abgetrennten Gebieten. Aus dem am anderen Elbufer liegenden Litoměřice (Leitmeritz) wurden während des ganzen Krieges Häftlinge nach Theresienstadt geschickt. |
Während das Gefängnis anfangs nur mit Männern belegt wurde, richtete man im Verlaufe des zweiten Standrechtes im Sommer 1942, nach dem Attentat auf Heydrich, eine Frauenabteilung ein. Zeitweilig wurde das Gefängnis im Jahre 1944 vom Konzentrationslager Flossenbürg und 1945 von der Gerichtsabteilung des Prager Gefängnisses Pankrác genutzt. In den Jahren 1940 – 1945 übergaben die Gestapodienststellen an die 27.000 Männer und 5.000 Frauen an das Gefängnis in Theresienstadt, wobei es sich vorwiegend um tschechische politische Gefangene handelte. Die Anzahl der in der Kleinen Festung inhaftierten Gefangenen schwankte. Während sie im Jahr 1940 bei durchschnittlich 150 lag, wuchs sie 1941 auf 600, 1942 auf 1.200 und bewegte sich 1943 und 1944 bei rund 2.000. In den letzten Kriegsmonaten war das Gefängnis mit 5.500 Gefangenen restlos überfüllt. Die Haftgründe waren vielfältig. Viele Häftlinge wurden wegen organisierten (50 %) oder individuellen (12%) Widerstandes eingesperrt, etwa 7 % hatten verfolgten Bürgern geholfen, etwa 6 % hatten die antijüdischen Anordnungen übertreten. Eine nicht geringe Anzahl von Häftlingen war wegen wirtschaftlicher oder Arbeitsvergehen in die Kleine Festung geschickt worden. Unter den Häftlingen waren Funktionäre aller demokratischen Parteien, Mitglieder des bürgerlichen, kommunistischen und kirchlichen Widerstandes; Angehörige der sogenannten Intelligenz, Professoren, Ärzte, Studenten der Hochschulen und Universitäten, Arbeiter, Angestellte, Hausfrauen, Wissenschaftler, Künstler, Politiker, Männer und Frauen, die von der Gestapo verhaftet und in die Kleine Festung verbracht worden waren und hier auf ihr Urteil warteten, um dann hingerichtet oder zu einer langjährigen Haftstrafe in ein anderes Lager, Gefängnis, Zuchthaus oder Konzentrationslager überführt zu werden. Unter ihnen befanden sich 2.500 Angehörige fremder Staaten, Bürger der Sowjetunion, Briten, Polen, Franzosen und Deutsche, u.a. britische und sowjetische Kriegesgefangene. Etwa 1.500 Juden passierten das Polizeigefängnis Kleine Festung. Sie waren wegen Widerstandstätigkeit oder der Übertretung der antijüdischen Anordnungen verhaftet worden oder waren aus dem benachbarten Ghetto ins Polizeigefängnis überstellt worden, das organisatorisch und verwaltungsmäßig nichts mit dem Gestapogefängnis zu tun hatte. All dies sollte man wissen, bevor man zu einem Rundgang durch das Gestapogefängnis Kleine Festung Theresienstadt aufbricht. |